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Stille Örtchen und fliegende Ziegen

Es regnet mal wieder. Naja, eigentlich durchweg, seitdem ich aus Ghana zurück bin. Das ist schon ein bisschen deprimierend und lässt den Wunsch, nochmal dorthin zurückzukehren, größer werden.


...unterwegs in Esiama...


Warum rast die Zeit eigentlich immer so dolle? Da fängt man langsam an, sich zurechtzufinden und dann muss man auch schon wieder zum Flughafen. Immer das Gleiche. 
Ich entschuldige mich zuerst einmal dafür, dass ich so lange nichts von mir hören habe lassen. Ich bin die letzten Tage in Ghana viel gereist und hatte dort oft nur schlechte Internetverbindung. Und ich habe dort so viel Neues in mir aufgesaugt, dass ich jetzt einfach einige Zeit gebraucht habe, um meine Eindrücke zu verarbeiten. 
Es ist schon etwas anderes, wenn man in ein anderes Land fährt, um Urlaub zu machen und herumzureisen. Das hier war keine Urlaubsreise. Das war der [fast] normale Alltag. 

Aber was ist schon normal?

Vieles, was ich von zuhause kenne, funktioniert in Ghana einfach komplett anders. Oder gar nicht. Und das kann durchaus manchmal ganz schön die Nerven strapazieren! 


...auf dem Weg nach Axim...


Das fängt schon bei kleinen Dingen an. Z.B wie komme ich von A nach B?

In Ghana heisst das zuerst einmal Laufen. Kurze Strecken werden hier zu Fuß zurückgelegt. Allerdings ist das „kurz“ hier deutlich länger als das „kurz“ in Deutschland. 
Um an eine gut ausgebaute, befahrene Straße zu kommen, muss man schon mal 2 km oder mehr laufen. Denn die Taxis fahren nicht überall hin. Manchmal, weil sie einfach nicht wollen, oder es besteht einfach keine Möglichkeit dazu, weil oft die Straße gar nicht mehr als Straße wahrnehmbar ist. Und wenn es mal geregnet hat, dann wird aus einer Straße schnell mal ein See. Das Befahren kann man dann eh vergessen. 
Also zieht man besser die Badesachen an oder macht sich wahlweise auch einfach nackig, das spart das anschließende Waschen der Klamotten. Die sind nämlich ziemlich braun gesprenkelt nach dem Begehen, wenn man keine andere Möglichkeit hat, einen anderen Weg zu nehmen. 
Und die Schuhe sollte man einfach komplett weglassen. Ich spreche da aus Erfahrung. Das anschließende Suchen im Matsch ist kein Vergnügen. 


...alte Hautstraße zwischen Ankobra und Axim...

Hat man dann endlich eine Hauptstraße erreicht, dann reicht es, einfach den Arm zu heben, sobald ein Taxi im Anmarsch ist. Warten muss man nicht lange, denn gefühlsmäßig ist fast jedes Auto ein Taxi. Oft hat man Pech und die Autos sind besetzt, dann wird nett gehupt und vorbeigefahren. 
Oder sie halten an, und du denkst, warum hält der jetzt, sind doch schon alle Sitze belegt? Aber nein, da geht noch was! Da wird dann schön zusammengerückt und gekuschelt. 
Es kann durchaus sein, dass dann in dem Auto, was eigentlich für 4 Personen plus Fahrer ausgelegt ist, die doppelte Anzahl an Menschen sitzt. Zwei auf dem Beifahrersitz, auf der Rückbank sechs Personen und der Rest im Kofferraum.

Die denken ganz schön praktisch und effektiv, die Ghanaer! 
Es wird nicht einfach nur eine Person befördert. Und die Umwelt wird dadurch auch geschont, möchte man meinen, weil ja nicht so oft hin und her gefahren werden muss. Wenn man sich allerdings den Großteil der Autos dort anschaut, dann stellt man lieber sein Gehirn mal kurz aus und übersieht am Besten alles - sowohl den Umwelt- als auch den Sicherheitsaspekt.


...Taxi Taxi Taxi...


Sowas wie den TÜV kennen sie nicht. 
Ich bin wirklich viel Taxi gefahren, bei bestimmt 98% der Autos hat immer irgendein Achtung-Achtung-Licht geleuchtet. Oder der Tacho hat überhaupt nicht funktioniert. Oder was braucht es schon Schlüssel zum Starten? Kann man doch auch kurzschließen. Türöffner von innen werden auch überbewertet. Braucht man nicht, die Fenster sind eh immer unten, auch bei Regen, weil ja auch die Fensterkurbeln unnötig oder funktionsuntüchtig sind. Bei vollgestopften Taxis ist man dann aber über die ständige Frischluft froh. Es sei denn, ein LKW oder Bus fährt voran, manchmal weiß man das nicht so genau, denn wegen der schwarzen Rauchwolke erkennt man nicht so viel. Und dann bleibt einem nichts anderes mehr übrig als das Atmen abzustellen. Wenn die Heizung dann auch im Eimer ist und einfach nicht mehr auszumachen geht, dann freut es mich besonders, auf dem Beifahrersitz zu sitzen und sich die warme Luft von innen und von außen ins Gesicht blasen zu lassen. 

Autos wie diese werden in Deutschland auf den Schrottplatz geschickt oder eben nach Ghana verschifft. Hier ist es ja nicht so schlimm, wenn nicht alles funktioniert, Hauptsache das Auto fährt!

Bevor man ins Taxi steigt, wird zuerst der Preis ausgehandelt. Und wie das in jedem anderen Land ist, werden die Preise für die Ausländer immer ein bisschen erhöht. Nach ein paar Tagen hat man die Originalpreise allerdings raus und lässt sich nicht mehr über´s Ohr hauen. Taxi fahren ist hier wirklich günstig. 10 km kosten 3-4 Cedi, d.h. etwa 0,50 - 0,70 €. Auf kurzen Wegen fährt deshalb jeder Taxi.


...eins der tausenden Trotros...


Längere Strecken kann man mit anderen verschiedenen Verkehrsmitteln bewältigen. 

Am meisten werden hier die Trotros genutzt. Ein Trotro oder Buschtaxi, wie man es noch nennt, ist oft ein umgebauter und dicht bestuhlter Lieferwagen oder Kleinbus, der je nach Fahrzeugtyp für 16 oder mehr Personen ausgelegt ist. So genau wird das aber nicht genommen. Wenn die sehen, dass du dich noch einigermaßen gut bewegen kannst, dann hast du verloren! Dann hat die Sitzreihe plötzlich fünf Sitze statt drei! Hautkontakt wird groß geschrieben in Ghana!

Die Preise sind hier fix und auch sehr günstig. Es gibt explizite Trotro-Stationen. Allerdings gibt es keinen festen Fahrplan. Das Trotro fährt erst dann los, wenn alle Plätze belegt sind. Manchmal geht es ganz flott, und es bilden sich sogar Warteschlangen. Allerdings kann man auch schon mal Pech haben und bis zu 1,5 - 2 Stunden warten, bis es endlich losgeht. 
Den Ghanaern scheint das nichts auszumachen. Mich macht das ab einem gewissen Punkt leicht aggressiv. Da ist dann nichts mehr von der übernommenen afrikanischen Gelassenheit übrig. Bevor es gedanklich Tote geben könnte, kauft man am besten die noch fehlenden Sitze dazu. Ist ja nicht so teuer für uns, anders für die Ghanaer. Eine Strecke von etwa 1,5 Stunden Fahrt kostet ca. 11-12 Cedi, also ca. 2,00 - 2,20 €.

Wenn man Glück hat, dann kann man die Warterei auch mit ghanaischem Fernsehen überbrücken. In einigen Trotros hängen tatsächlich Bildschirme. Schön angekettet. Und der Sound ist bombastisch, vor allem bombastisch laut. 
Die Schauspielerei möchte ich jetzt nicht bewerten. Ich sag mal so, künstlerisch wertvoll. Leider habe ich so gut wie nichts verstanden. Weder die Sprache noch die Handlung…


...auf der Suche nach einem Taxi...


Auf längeren Strecken haben die Leute meist mehr Gepäck. Das muss ja auch noch irgendwo untergebracht werden. Größere Gepäckstücke zahlt man zusätzlich. Die werden dann unter dem Sitz, auf dem Schoß, auf dem Dach oder im Kofferraum verstaut. Oft geht der dann einfach nicht mehr zu. Das ist aber kein Problem, Seile helfen. 
Bei den Straßenverhältnissen und der rasanten Fahrweise kommt es dann schon mal vor, dass man einige Gepäckstücke wieder von der Straße aufsammeln muss. Ich bin deshalb froh, dass ich immer nur mit kleinem Rucksack gereist bin.

Tiere befördern sie übrigens auch, meistens Ziegen oder Hühner. 
Ihr fragt euch sicher wo? Auf dem Dach. Aber nicht in einem Käfig, wie man sich das vorstellt (die Hühner ja). NEIN! Die werden einfach irgendwo festgebunden, stehen dann frei auf dem anderen Gepäck. 

Ich frage mich tatsächlich, ob die Ziegen überhaupt lebendig das Ziel erreichen. Außerdem bin ich froh, dass ich nicht mit so einem Trotro fahren musste. Stellt euch doch mal vor, da guckst du gedankenverloren aus dem Fenster und saugst die Landschaft in dir auf und plötzlich glotzt dich eine Ziege mit flatternden Ohren von draußen an! Möchte ich mir gar nicht vorstellen...


...hoffentlich fliegen sie nicht irgendwann...


Der Vorteil bei den Trotros ist, dass man auch genauso wie bei den Taxen irgendwo auf offener Straße zusteigen kann, sofern noch Platz ist. 
Außer der Start- und der Endstation gibt es sonst keine Haltestellen. Möchte man irgendwo vor der Endstation aussteigen, sagt man dem Fahrer am besten vor Beginn der Fahrt Bescheid. Dann ist alles kein Problem, allerdings muss man trotzdem den kompletten Festpreis bezahlen.

In Ghana sind alle ganz verkaufstüchtig. Neben den ganzen Ständen am Straßenrand gibt es hier bestimmt nochmal genauso Viele, die ihre Ware ständig auf dem Kopf mit sich herumtragen und verkaufen. Das ist natürlich sehr praktisch. Man muss nicht mehr einkaufen gehen. Den Einkauf kann man direkt aus dem Fahrzeug heraus erledigen. 

An Straßenkreuzungen, an Zollstationen oder an Busbahnhöfen wimmelt es nur so von tüchtigen Menschen. Wenn man mal wieder im Trotro sitzt und darauf wartet, dass es endlich losgeht, dann kommt man oft aus dem „daabi, medase - nein, danke“ sagen gar nicht mehr raus. 
Im Minutentakt bekommt man kalte Getränke, Gürtel, Brot, Uhren, Kaugummis, Gebäck, Fisch, Zahnpasta, und und und angeboten. Leider will nur oftmals keiner was kaufen. Naja, stimmt nicht ganz! Das Kaufen geht nämlich erst los, wenn das Trotro endlich abfahrbereit ist. 
Da bist du dich gerade am freuen, dass nach gefühlten Stunden Warterei endlich gestartet wird, dann kommen die Mitreisenden doch glatt auf den Gedanken, hey Mist, vielleicht könnte ich ja doch noch was gebrauchen?! Und dann geht erst die Kauferei richtig los! 

Mal tief Luft holen und langsam ausatmen! Es ist wirklich am besten, man versucht sich ganz schnell zu entspannen und nett zu lächeln und schaut sich das Spektakel einfach an. Die Verkäufer versuchen sich nämlich gegenseitig, was die Lautstärke angeht, zu überbieten und jeder möchte natürlich den besten Platz vor der Tür oder dem offenen Fenster ergattern. Im Trotro drin sieht es nicht anders aus. Da herrscht dann manchmal auch das blanke Chaos! 
Zum Glück ist es dem Fahrer dann irgendwann auch zu viel, und er fährt los. Endlich!!! 

Trotro fahren ist schon ein bisschen abenteuerlich!


...eine der vielen Frauen, die ihre Ware an einer Zollstation verkaufen...


Um etwas komfortabler zu reisen, kann man auch die großen klimatisierten Reisebusse der Anbieter STC und VIP nehmen. Sie sind etwas teurer als die Trotros und fahren auch von eigenen Busbahnhöfen ab. Ich habe sie nicht genutzt, deshalb kann ich keine Auskunft darüber geben.

Hat man kein eigenes Auto, ist man auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen. Man muss eben meistens nur genug Geduld mitbringen, was das Warten angeht. 
Oft sitzt man auch bis zu 5 Stunden oder länger in dem Fahrzeug ohne anzuhalten. Das kann dazu führen, dass man diverse Körperteile nicht mehr spürt, weil einfach kein Platz zum bewegen ist.

Eine stabile Blase ist auch von Vorteil! Es heißt ja immer, schön viel trinken, vor allem bei den heissen Temperaturen. Das ist so ein Ding mit dem Trinken, wenn man weiß, man sitzt den ganzen Tag im Trotro! Toiletten gibt es nämlich nicht überall. Wenn man Glück hat, muss der Fahrer mal wieder einen verlorenen Gegenstand aufsammeln oder die Reifen kontrollieren, dann hüpfen plötzlich alle aus dem Fahrzeug und suchen sich ein ruhiges Plätzchen. 
Oder aber es wird getankt. 
Mir wurde von Anfang an gesagt, ich solle doch die öffentlichen Toiletten meiden. Alleine wegen der fehlenden Sauberkeit, der Krankheiten, die man sich dort einfangen kann oder aber einfach wegen des Gestanks. Allerdings denkt man da nicht mehr darüber nach, wenn die Blase kurz vorm Explodieren steht. 


...Klohütte Schule in Banso...


Und ich muss ehrlich sagen, so katastrophal wie ich dachte, ist es gar nicht. Wenn man allerdings ein wenig pingelig oder genant ist, dann empfehle ich doch lieber, ganz zuhause zu bleiben. Es kann nämlich durchaus sein, dass bei den öffentlichen Toiletten die Türen fehlen. Und getrennt nach Männlein und Weiblein ist manchmal auch nicht zu erkennen. Da heißt es dann einfach, Augen zu und durch! 
Und wenn dann plötzlich ein Kerl in der Tür steht, einfach nicht stören lassen, die sind so anständig, die gehen auch wieder raus. 

Jetzt weiß ich, warum die Frauen immer lange Röcke tragen. Die sind schon manchmal von Vorteil. Damit kann man sich nämlich überall hinsetzen. Und wenn es mitten auf dem wie im Ameisenhaufen wimmelnden Busbahnhof ist! Geht alles, wenn Mann / Frau das nötige Selbstbewusstsein hat. Ich bin dann doch mehr für das stille Örtchen in der Stadt. 
Taschentücher und Händedesinfektionsspray sollten deshalb immer griffbereit im Rucksack sein.

An den Busbahnhöfen kostet es auch mal 1 Cedi (0,20€), die Toilette zu besuchen. Dafür gibt’s dann aber auch extra Klopapier und zum Abspülen einen kleinen Eimer Wasser. 
Wir reden hier übrigens meistens von Stehklos. Was ja prinzipiell tatsächlich hygienischer ist, wenn man einfach mit nichts Anderem in Berührung kommt. 


...habe mich in der Toilette geirrt. Bin bei den Jungs gelandet, wurde mir später erzählt. Egal, das Klopapier war so spannend...


Wo wir gerade bei diesem spannenden Thema sind...

In den Schulen, die ich dort besucht habe, gibt es eigene Klohütten. Einige aus Lehm gebaut, andere Toiletten sind nur von Mauern umrandet.
Klopapier gibt es natürlich nicht. Die Kinder wissen sich aber zu helfen. 

Wer braucht schon die alten Schulhefte oder schlecht geschriebene Arbeiten?! Keiner! Perfekt geeignet für das stille Örtchen! 

Find‘ ich ganz schön gut! 

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